Weise, Oskar,
Ästhetik der deutschen Sprache. 2., verbesserte Auflage. Leipzig, Berlin: Teubner, 1905. VIII, 328 Seiten mit Literaturverzeichnis und Register. Leinen mit Farbschnitt.
* Gebräunt, Widmung auf verso Vorsatzblatt, Name auf dem Titelblatt.
Bestell-Nr.156891
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Aus dem Vorwort zur ersten Auflage.
Der Ausspruch Goethes, die Form sei den meisten ein
Geheimnis, gilt besonders von uns Deutschen, zumal wenn
unsere Muttersprache in Betracht kommt. Denn wir legen viel
weniger Wert aus das Äußere als die romanischen Völker, z. B.
unsere westlichen Nachbarn. Welche Schönheit man dem Ausdruck verleihen, welche Wirkungen man damit erzielen kann,
wissen viele nicht. Auch ist die Literatur über diesen Punkt
ziemlich dürftig. Selbst dickleibige Werke wie die Ästhetik
Friedrich Vischers gehen über die einschlägigen Erscheinungen
meist mit wenigen Worten hinweg oder behandeln den ästhetischen
Sprachstoff auf Grundlage der antiken Grammatik mit vorwiegend
griechischen und lateinischen Beispielen wie G. Gerbers zweibändiges Buch »Die Sprache als Kunst«, Bromberg 1871—73,
2. Aufl. 1885. So reichen wir Deutschen nur zu oft goldene
Früchte in irdener Schale, da uns die Erwägung fern liegt,
daß eines so köstlichen Inhalts nur ein silbernes Gefäß würdig
ist. Kein Wunder, daß in unserem Vaterlande hervorragende
Stilisten wie Friedrich Nietzsche zu den Seltenheiten gehören.
Es dürfte daher an der Zeit sein, unsere liebe deutsche Sprache
einmal vom ästhetischen Gesichtspunkte zu betrachten und die
weiten Kreise der Gebildeten, denen ganz besonders ihre Pflege
am Herzen liegen muß, etwas eingehender mit dem Zauber ihrer
Form bekannt zu machen. Somit kommt dieses Buch den Wünschen
R. Hildebrands entgegen, der in seiner Schrift »Vom deutschen
Sprachunterricht« (7. Aufl. 1901 S. 70f.) eifrig für eine derartige Geschmacksbildung eintritt, z. B. mit den Worten: »Die
Unterschiede der Sprache in Formen und Wendungen je nach
der Lebensschicht, im Alltagsdeutsch und in gewählterer, wichtigerer oder gar feierlicher Rede, in Prosa und Poesie, alle
diese Unterschiede, die ja nicht verwischt und vermischt werden
sollen oder können, sie liefern den erwünschten, geradezu herrlichsten Stoff zur Bildung des Geschmacks in vielerlei Beziehung«.
Vorwort zur zweiten Auflage
Gleichzeitig mit der Mitteilung, daß sich die fünfte Auflage meiner »Muttersprache« nötig mache 1), ging mir von der
Verlagsbuchhandlung die Nachricht zu, daß die erste Auflage
meiner »Ästhetik der deutschen Sprache« fast vergriffen sei.
Demnach scheint sich die jüngere Schwester gleicher Beliebtheit zu
erfreuen, wie die ihr in mancher Hinsicht ähnliche ältere, was auch
durch die mir zugegangenen sehr anerkennenden Besprechungen
und Briefe bestätigt wird. Hoffentlich ist das Buch in der
vorliegenden neuen Bearbeitung noch brauchbarer geworden.
Wenigstens habe ich darin manches nachgetragen, umgemodelt
oder durch Besseres ersetzt, namentlich die Wünsche der Herren
Rezensenten nach Möglichkeit 2) berücksichtigt und die neu erschienene Literatur gewissenhaft verzeichnet.
Eisenberg, S.-A., im Dezember 1904.
O. Weise
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1) Diese ist inzwischen erschienen unter dem Titel: »Unsere Muttersprache, ihr Werden und ihr Wesen«, Leipzig, B. G· Teubner 1904. 2,60 M. Auf diese Schrift S.203——213 sowie auf meine »Deutsche Sprach- und Stillehre«, Leipzig, B. G. Teubner 1901 S. 5ff. verweise ich auch diejenigen, welche sich über die ästhetischen Anschauungen beim Geschlechte der Hauptwörter Rats erholen wollen.
2) Die Besprechungen O. Behaghels im Literaturblatt s. germ. u.
roman. Philol. 1904 S. 97 und R. M. Meyers in der Zeitschr. f· deutsches Altertum und deutsche Literatur, Bd. 48, S.139, die mir erst während der Korrektur zugingen, konnten wenigstens zum größten Teile noch berücksichtigt werden.
Inhaltsverzeichnis der 4. Auflage 1915 mit geringfügigen Abweichungen 