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Bastian .:. 7000 Eichen

155431
Bastian, Heiner, 7000 Eichen. Bern 1985.
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13.-28.11.2024

Description
Bastian, Heiner,
7000 Eichen. Bern: Benteli, 1985. [234] Seiten mit z.T. farbigen Abbildungen. Leinen mit Schutzumschlag. 4to. 1054 g
* Ausstattung und Typographie von Heiner Bastian. Deutsch und englisch. Werke von Miquel Barceló, Jean-Michel Basquiat, Joseph Beuys, Peter Bömmels, James Brown, Sandro Chia, Francesco Clemente, Tony Cragg, Enzo Cucchi, Walter Dahn, David Deutsch, Martin Disler, Jiri Georg Dokoupil, Keith Haring, Jörg Immendorff, Anish Kapoor, Bernd Koberling, Imi Knoebel, Jannis Kounellis, Richard Long, Brice Marden, Bruce McLean, Mario Merz, Helmut Middendorf, Albert Oehlen, Markus Oehlen, Mimmo Paladino, Robert Rauschenberg, Salomé, Julian Schnabel, Volker Tannert, Cy Twombly, Andy Warhol, Bill Woodrow. Mehrere Exemplare vorrätig.
Bestell-Nr.155431 | ISBN: 3-7165-0507-2
Bastian | Kunstausstellung | Ausstellungskatalog | Installationskunst | Installation Art | Joseph Beuys
https://comenius-antiquariat.ch/buch/155431.html
VORWORT
GOTZ ADRIANI
ULRICH WEISNER

Das Pflanzen von >7000 Eichen< ist der Beitrag von Joseph Beuys zur documenta 7 in Kassel 1982. Schon während dieser documenta hat die Aktion von Beuvs weit über die Grenzen Deutschlands hinaus große internationale Beachtung gefunden, und sie hat sich in ihrer Anschaulichkeit und überzeugenden Sinnfälligkeit eingeprägt: 7000 Bäume sind in Kassel, Ausgangsort dieser Idee, zur Pflanzung vorgesehen. Diesen Bäumen entspricht die Zahl von 7000 Basaltstelen, die auf dem Friedrichsplatz vor dem Fridericianum in keilförmiger Anordnung gelagert werden. Bei jeder Baumpflanzung wird ein Basaltstein entnommen und als unverrückbare Stele, als plastisches Erinnerungsmal neben den jungen Baum gesetzt. In dem Maße, wie die Pflanzungen voranschreiten, nimmt der mächtige Steinwall im Laufe der Zeit ab. Als eine >steinerne Uhr< zeigt er die Umsetzung der Idee von Joseph Beuys und deren zunehmende Wirksamkeit an.
Joseph Beuys versteht diese Idee als einen »ersten Schritt, die gegenwärtige Notlage der (Um)welt anzugehen. Denn die Kunst ist die einzige Form, in der Umweltprobleme gelöst werden können... « Und er sagt weiterhin, »ich denke, daß das Pflanzen dieser Eichen ja nicht nur eine Tat in der Biosphären-Notwendigkeit ist, also in diesem nur rein materiell-ökologischen Zusammenhang, sondern daß hier im Laufe der Jahre durch die Pflanzung ein sehr viel umfassenderer Okologiebegriff erarbeitet werden soll - denn wir wollen die Pflanzaktion ja nie mehr beenden. . . Es ist natürlich nicht damit getan, daß ein Mensch allein mit einigen Mitteln 7000 Eichen pflanzt. Man muß schon mit dieser Aktion und mit diesem Stein als symbolischer Handlung, mit diesem Wesen Baum die geeigneten Ideenbilder verbinden, denn auf diese Ideenbilder kommt es an ... 7000 Eichen ist eine Plastik, die sich auf das Leben der Menschen bezieht, auf ihre alltägliche Arbeit. Das ist mein Kunstbegriff, den ich den erweiterten Kunstbegriff oder die soziale Skulptur nenne.«
Die Baumpflanzaktion ist nicht einfach nur eine direkte Kritik an der fortschreitenden Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen und aller Lebewesen sowie der Natur selbst durch die gegenwärtige Form der Industriegesellschaft und ihrer Techniken, sie ist auch mehr als nur ein Zeichen der notwendigen Veränderungen; sie ist Handlung, Tat, aus der erst begründete Hoffnung zu entspringen vermag. Hier ist die Quelle der künstlerischen Motivation zu finden, der eine verzagte Fortschrittsfeindlichkeit beinahe ebenso suspekt ist wie eine unreflektierte, unbeseelte Fortschrittsgläubigkeit. Joseph Beuys fühlt eine weit über das Private hinausgehende Verantwortung, der sein erweiterter Kunstbegriff entspricht. Der Künstler steht nicht auf der Seite der distanzierten Kritiker der schlechten Wirklichkeit, sondern auf der der engagiert schöpferisch Handelnden. Mit dem Pflanzen von Bäumen will Beuys Zeichen setzen, auch andere Ideen und Kräfte mobilisieren, aus der die Verpflichtung des Menschen erwächst, sich ein ganzheitliches Bewußtsein anzueignen, damit dieser Planet, damit wir selbst überleben können.
Die Aktion >7000 Eichen< besitzt zwar in ihrer Ausgangsphase eine Bindung an einen bestimmten Ort und an bestimmte Zeiträume, doch ist sie so konzipiert, daß sie sich erst in eigentlich nicht endender, räumlicher und zeitlicher Ausbreitung entfaltet, wobei zwar ihre feste Gestaltgrenze allmählich verschwindet, sie aber in demselben Maße an durchdringender Wirksamkeit gewinnt. Bildlich vorgestellt sind von Kassel aus Fäden gespannt, die sich mehr und mehr zu einer sich ins Globale ausweitenden, auf die gesamte menschliche Gesellschaft bezogenen, sternförmig ausstrahlenden Figuration verdichten. Das Pflanzen der Bäume ist in seinem Wesen die Erkenntnis, daß es vieler sich erneuernder Prozesse bedarf, deren Kreativität das eigentliche Kapital jeder Gesellschaft sind. Für Beuys ist die Freiheit des Menschen die Verpflichtung zu einer Vernunft des Denkens und aller seiner Handlungen. Aus dieser Notwendigkeit handelt er, wenn er Fragen stellt, die die weitere Zukunft der Menschen betreffen.
Im Herbst 1984 wurde der 3500ste Baum des Beuys-Unternehmens gepflanzt, und am Tage der Eröffnung der nächsten documenta 1987 soll der letzte Baum gesetzt werden. Die Realisierung eines solchen Projekts erfordert nicht nur vielfältige ideelle und organisatorische Unterstützung, sondern auch erhebliche finanzielle Mittel, insgesamt 3,5 Millionen DM. Für jeden Baum und für jeden Basaltstein, für die Planung, für die Koordination und Pflanzung durch ein Team sind 500 DM pro Baum aufzuwenden. »An einer solchen Aktion kann man nur Geld verlieren« (Joseph Beuvs). Zu Beginn seiner Unternehmung ist Joseph Beuys von der Dia Art Foundation in New York und Köln mit einer großzügigen Stiftung unterstützt worden. Viele, sehr viele einzelne Baumspenden aus dem In- und Ausland schlossen sich an, und Joseph Beuys hat die Aktion substantiell selbst getragen, indem er aus dem Erlös von Kunstwerken die Mittel bereitstellte oder gar Ausstellungseinladungen und andere Verpflichtungen nur annahm, wenn dadurch auch für die Baumaktion Mittel gestiftet wurden. Dennoch konnte er nicht ganz allein die Finanzierung tragen. Von der Industrie wurde praktisch keine oder nur unwesentliche Unterstützung geleistet.
Im vergangenen Jahr entschloß sich der Schriftsteller Heiner Bastian, seit Jahren auch der engste Freund und Mitarbeiter von Beuys, zu einer Initiative, die in Gesprächen mit anderen Künstlern über das BeuysProjekt entstanden war. In diesen Gesprächen hatte sich gezeigt, daß die Künstler die Aktion von Beuys als einen mutigen Schritt verstanden, gerade durch die Kunst eine gesellschaftliche Verpflichtung zu zeigen, einen konkreten pragmatischen Schritt zu tun, der das Nachdenken über unsere Lebensbedingungen zwangsläufig auslösen mußte. Die mit Bastian befreundeten Künstler erklärten sich mit der Pflanzaktion von Beuys nicht nur solidarisch, sondern wollten sich selbst an diesem Projekt beteiligen. Im Januar 1984 wurde Heiner Bastian während eines Aufenthaltes in New York von Sandro Chia, Robert Rauschenberg, Cy Twombly und Andy Warhol spontan die Stiftung wichtiger Werke zugesagt, deren Erlös vollständig der Pflanzaktion, diesem lebenden Monument gegen die sterbende Natur, zufließen sollte. Durch diese ersten konkreten Zusagen ermutigt, entschloß sich Bastian, eine große Gruppe von Künstlern einzuladen. Er gründete nun quasi ein eigenes Unternehmen, und im Laufe des vergangenen Jahres akzeptierten Künstler aus Deutschland, der Schweiz, aus den USA, Großbritannien, Italien und Spanien seine Einladung. Sie alle stifteten ein bedeutendes Werk ohne jedes Honorar.
Insgesamt wird nun die Aktion von 34 Künstlern getragen. Heute zeigt sich, daß gewiß viele, sehr viele Künstler ebenfalls zugesagt hätten, wenn nicht allein die Zeit dieses Projekts begrenzt gewesen wäre. Diese Unterstützung einer künstlerischen Idee von Joseph Beuys ist ein Zeugnis für die internationale Künstlergemeinschaft, auch sie eine die Länder überspannende, wiederum sternförmige Figuration wie die Aktion >7000 Eichen< selbst. Unseres Wissens ist sie einzigartig in der Geschichte der Kunst. Nie zuvor haben so viele Künstler ein bedeutendes Projekt so uneigennützig gefördert. Ihre Aktion trägt dazu bei, die vollständige Verwirklichung der Pflanzung von >7000 Eichen< ganz entscheidend mitzutragen. Aus dem Projekt von Joseph Beuys ist damit zu einem guten Teil das Projekt vieler Künstler geworden, die die Idee seines Unternehmens jetzt vorantragen. Die moralische Haltung dieser Künstler, gerade auch vieler junger Künstler, ist beispielhaft. Ihr Engagement ohne Wenn und Aber verdient unser aller Respekt. Dies ist ein Ansporn für Museen, über ihre bisherige, nach wie vor notwendige Funktion des Sammelns, Pflegens, Erforschens und Vermittelns von Kunstwerken hinaus, eine breitere kulturelle Verantwortung wahrzunehmen, und ein über die enger gezogenen Grenzen des Museums hinausgreifendes Projekt wie das von Joseph Beuys zu unterstützen, und so die Museumssammlung um ein Kunstwerk >extra muros< zu erweitern.
Für diesen anregenden Impuls und die Möglichkeit, durch diese Ausstellung die Aktion >7000 Eichen< unterstützen zu können, danken wir allen beteiligten Künstlern sehr herzlich, mit besonderer Nachdrücklichkeit aber Heiner Bastian, der nunmehr ein Jahr lang die gesamte Arbeit und Verantwortung trug, der die Idee zu diesem Projekt und zu dieser Ausstellung hatte, die mehr ist als nur eine Ausstellung. Seinem Dank an alle, die ihm dabei halfen, schließen wir uns gern an. Sowohl die Aktion von Joseph Beuys, wie auch die Initiative von Heiner Bastian beweisen: Kunst bedarf der Persönlichkeiten, denen eine geistige Idee als Ziel vor Augen steht, das sie mit Leidenschaft verfolgen und das sie zäh, geduldig und umsichtig zugleich, wie es Wachstumsprozessen entspricht, in die Wirklichkeit umzusetzen vermögen.
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