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Burckhardt .:. Ein Vormittag beim Buchhaendler
160109
Burckhardt, Carl J., Ein Vormittag beim Buchhändler. Bern, Stuttgart 1972.
Fermé temporairement
13.-28.11.2024
Description
Burckhardt, Carl J.,
Ein Vormittag beim Buchhändler. Bern, Stuttgart: Huber, 1972. 42 Seiten. Leinen. 210 x 127 mm. 136 g
* Weihnachtsgabe für die Freunde des Verlages und der Buchhandlung Hans Huber.
Bestell-Nr.160109
Burckhardt | Buchwesen | swl Buchhandel | Schweizer Literatur | Limitierte Ausgaben
Es war im Jahre 1924; ich arbeitete damals in der Bibliothèque Nationale in Paris. An einem Wintermorgen betrat ich ein Friseurgeschäft in der Nähe der Madeleine und ließ mir den Kopf waschen. Als die gräßliche Prozedur, die bekanntlich darin besteht, daß man, völlig hilflos über das Waschbecken gebeugt, sich den Seifenschaum aus den Haaren spülen läßt, endlich vorüber war, das Rauschen in nächster Nähe des Gehirns aufgehört hatte und ich noch mit vorsichtig geschlossenen Augen — vor dem Spiegel saß, hörte ich plötzlich streitende Stimmen: einen männlichen Tenor, der immer heftiger wiederholte: «Mein Herr, das kann jeder sagen. » Eine weibliche grelle Stimme und Worte wie kleine Salven: «Unglaublich», rief diese Frauenstimme, «und Haarwasser von Houbigant hat er verlangt!» «Wir kennen Sie nicht, mein Herr! Sie sind uns gänzlich fremd und unbekannt. Das ist nicht Sitte bei uns!» und derartiges mehr. Gegen diesen Andrang von Vorwürfen tönte die Erwiderung des augenscheinlich Bedrängten sehr schwach, klagend und wie aus einer anderen Welt, mit einem Ton von weltfernem Leid und gleichzeitig einer fremdartigen, leicht slawischen Klangfarbe. Auf die Gefahr hin, daß das noch über die Stirne rinnende Seifenwasser mir in die Augen fließe, schaute ich nun auf und sah im Spiegel eine Gruppe von drei heftig gestikulierenden Friseuren in weißen Mänteln; hinter einem Tisch und einer Kasse, mächtig und streng im Gefühle des absoluten Rechtes, stark bemalt, mit purpurfarbenen Lippen und künstlich gebleichtem Haar, die Kassiererin; vor ihr, im Profil zu sehen, klein, schmächtig, unscheinbar — ein Herr mit hoher Stirne und hängendem Schnurrbart. Und dieser Herr beteuerte immer wieder : «Verzeihung, ich habe meine Brieftasche vergessen, ich hole sie im Hotel. Ich verspreche es Ihnen; Sie können anrufen; ich bin — ich bin der Dichter Rainer Maria Rilke.» Und darauf der Chor der Friseure mit der metallischen Sprecherin : «Das kann ein jeder sagen. Sie sind uns völlig unbekannt!» […]
IMPRESSUM
Ein Vormittag beim Buchhändler wurde in einer einmaligen Auflage für die Freunde des Verlages und der Buchhandlung Hans Huber auf Weihnachten 1972 herausgegeben. Der Text stammt aus dem Buch Betrachtungen und Berichte von Carl J. Burckhardt, Manessebibliothek der Weltliteratur, Manesse Verlag Zürich, 1964. Dem Autor und dem Verlag sei für die Zustimmung zur Wiederveröffentlichung herzlich gedankt.
Satz und Druck besorgte, nach Angaben von Max Caflisch, die Offizin Benteli AG, Bern-Bümpliz. Die verwendete Schrift ist die Walbaum-Antiqua. Das Papier lieferte die Firma Kappel & Stamm, Thalwil. Die Bindearbeiten erfolgten durch die Buchbinderei Schlatter AG, Bern.
Ein Vormittag beim Buchhändler. Bern, Stuttgart: Huber, 1972. 42 Seiten. Leinen. 210 x 127 mm. 136 g
* Weihnachtsgabe für die Freunde des Verlages und der Buchhandlung Hans Huber.
Bestell-Nr.160109
Burckhardt | Buchwesen | swl Buchhandel | Schweizer Literatur | Limitierte Ausgaben
Es war im Jahre 1924; ich arbeitete damals in der Bibliothèque Nationale in Paris. An einem Wintermorgen betrat ich ein Friseurgeschäft in der Nähe der Madeleine und ließ mir den Kopf waschen. Als die gräßliche Prozedur, die bekanntlich darin besteht, daß man, völlig hilflos über das Waschbecken gebeugt, sich den Seifenschaum aus den Haaren spülen läßt, endlich vorüber war, das Rauschen in nächster Nähe des Gehirns aufgehört hatte und ich noch mit vorsichtig geschlossenen Augen — vor dem Spiegel saß, hörte ich plötzlich streitende Stimmen: einen männlichen Tenor, der immer heftiger wiederholte: «Mein Herr, das kann jeder sagen. » Eine weibliche grelle Stimme und Worte wie kleine Salven: «Unglaublich», rief diese Frauenstimme, «und Haarwasser von Houbigant hat er verlangt!» «Wir kennen Sie nicht, mein Herr! Sie sind uns gänzlich fremd und unbekannt. Das ist nicht Sitte bei uns!» und derartiges mehr. Gegen diesen Andrang von Vorwürfen tönte die Erwiderung des augenscheinlich Bedrängten sehr schwach, klagend und wie aus einer anderen Welt, mit einem Ton von weltfernem Leid und gleichzeitig einer fremdartigen, leicht slawischen Klangfarbe. Auf die Gefahr hin, daß das noch über die Stirne rinnende Seifenwasser mir in die Augen fließe, schaute ich nun auf und sah im Spiegel eine Gruppe von drei heftig gestikulierenden Friseuren in weißen Mänteln; hinter einem Tisch und einer Kasse, mächtig und streng im Gefühle des absoluten Rechtes, stark bemalt, mit purpurfarbenen Lippen und künstlich gebleichtem Haar, die Kassiererin; vor ihr, im Profil zu sehen, klein, schmächtig, unscheinbar — ein Herr mit hoher Stirne und hängendem Schnurrbart. Und dieser Herr beteuerte immer wieder : «Verzeihung, ich habe meine Brieftasche vergessen, ich hole sie im Hotel. Ich verspreche es Ihnen; Sie können anrufen; ich bin — ich bin der Dichter Rainer Maria Rilke.» Und darauf der Chor der Friseure mit der metallischen Sprecherin : «Das kann ein jeder sagen. Sie sind uns völlig unbekannt!» […]
IMPRESSUM
Ein Vormittag beim Buchhändler wurde in einer einmaligen Auflage für die Freunde des Verlages und der Buchhandlung Hans Huber auf Weihnachten 1972 herausgegeben. Der Text stammt aus dem Buch Betrachtungen und Berichte von Carl J. Burckhardt, Manessebibliothek der Weltliteratur, Manesse Verlag Zürich, 1964. Dem Autor und dem Verlag sei für die Zustimmung zur Wiederveröffentlichung herzlich gedankt.
Satz und Druck besorgte, nach Angaben von Max Caflisch, die Offizin Benteli AG, Bern-Bümpliz. Die verwendete Schrift ist die Walbaum-Antiqua. Das Papier lieferte die Firma Kappel & Stamm, Thalwil. Die Bindearbeiten erfolgten durch die Buchbinderei Schlatter AG, Bern.
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160109
1 Article