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Evans .:. Bluete des Mittelalters
157434
Evans, Joan [Hrsg.], Blüte des Mittelalters. Zürich 1966.
Temporarily closed
Nov 13-28, 2024
Description
Evans, Joan [Hrsg.],
Blüte des Mittelalters. Zürich: Ex Libris, 1966. 360 Seiten mit 631 Abbildungen, davon 192 farbig, 439 Photos, Darstellungen, Karten und Zeittafeln. Leinen mit Schutzumschlag. 4to.
Bestell-Nr.157434
Evans | Mittelalter | Mediaevistik
Vorwort
Vor fünfzig Jahren war das Studium der Geschichte hauptsächlich auf Schulen und Universitäten beschränkt und demzufolge eine Angelegenheit der Gebildeten. Geschichte — das bedeutete soviel wie Kriege, politische Bündnisse und fortschrittlichere Verfassungen. Man stützte sich dabei in erster Linie auf schriftliche Dokumente, und auch Sozialgeschichte studierte man nur an Hand von Dokumenten. Acht Halbtonbilder erachtete man als genügend für jedes historische Werk, und die meisten waren überhaupt nicht illustriert.
Heute hat sich, zumindest für den Durchschnittsleser, dies alles geändert. Die Lehrer bemühen sich, ihren Geschichtsstunden einen bildhaften Hintergrund zu geben; gelegentlich führt sogar ein Geschichtsprofessor einige Diapositive vor. Fachhistoriker und Archivare untersuchen natürlich auch weiterhin mit Recht jeden Einzelaspekt ihres Forschungsgegenstandes an Hand von dokumentarisch belegbaren Details, doch für die meisten Leute ist >Geschichte< zu einer viel umfassenderen Angelegenheit geworden. Für sie zumindest müssen die Historiker die historischen Dokumente so interpretieren, daß sie ihnen das Leben der Vergangenheit in seiner Vielfalt und Dynamik und nicht etwa nur Schlachten und politische Intrigen enthüllen.
Dieser Wandel der Geschichtsliebhaberei und ihre Breitenwirkung ist nicht so sehr den Fachhistorikern zuzuschreiben als vielmehr einem Wandel in der Einstellung des Leserpublikums.
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als man begann, zahlreiche bedeutende Bauten durch Photographien festzuhalten, hat sich das Studium der Architektur und der bildenden Kunst revolutioniert; die großen archäologischen Entdeckungen jener Zeit brachten ein breites Publikum nun dazu, sich mit einem Gegenstand oder einem Bauwerk und zugleich mit der schriftlichen Überlieferung zu beschäftigen. In unseren Tagen sorgen Farbphotographien und Kunstdrucke dafür, daß diese Studien noch weit fruchtbarer werden. Außerdem haben unsere Freizeitbeschäftigungen unser Auge geschult, wenngleich sich Bildung noch immer in erstaunlicher Weise auf reines Buchwissen begründet. Ein erfahrener und tüchtiger Dozent sagte im Jahre 1900, ein Diapositiv müsse mindestens eine Minute lang auf der Leinwand gezeigt werden, damit das Publikum genügend Zeit habe, es aufzunehmen. Heute haben Filmleinwand und Fernsehapparat unsere Wahrnehmungsfähigkeit so geschult, daß wir weit schneller zu >sehen< vermögen.
Diese Entwicklungstendenzen in ihrer Gesamtheit machten es erforderlich, eine neue Art von Geschichtsbuch zu schreiben, das sich mehr mit dem sozialen Hintergrund als mit den politischen Ereignissen beschäftigt, und das durch zahlreiche Bilder diesen Hintergrund zum Leben erweckt. Der vorliegende Band erscheint in einer Reihe, die es sich zum Ziele gemacht hat, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Neun Autoren haben jeweils in einem Kapitel einen Aspekt des sozialen Lebens im Mittelalter abgehandelt. Neben der selbstverständlichen dokumentarischen Fundierung haben die Autoren jedoch versucht, hier ihre eigenen Interpretationen zu geben.
Parallel zum geschriebenen Text geht eine bildhafte Ausdeutung derselben Themen. Jedes Bildkapitel bildet eine in sich geschlossene Einheit, die in enger Beziehung zum Text steht, aber mehr sein will als lediglich dessen Illustration. Wir haben nicht nur Texte, sondern auch Ideen illustriert. Bisweilen ist ein Bildteil für ein anderes Kapitel von ebensolcher Bedeutung wie für jenes, mit dem es im Buch verbunden ist.
Um 1100 scheint es, als ob das Abendland zur Ruhe gekommen sei. In England hatte sich die normannische Dynastie im Heerwesen und in der Verwaltung eingerichtet. In Frankreich war durch Philipp I. August ein mit dem englischen rivalisierendes Königreich begründet worden. Die cluniazensische Reform hatte das religiöse Leben neu belebt, die Kreuzzüge begannen den Horizont auszuweiten. In Deutschland hatte der Investiturstreit unter Heinrich IV. das Staatsbewußtsein gestärkt. In Italien hatte Papst Gregor VII. seinen Kampf gegen den Kaiser zwar moralisch verloren, dafür aber Rom eine neue geistliche Universalmacht gewonnen. In Spanien hatte Alfonso VI. von Kastilien Toledo zur Hauptstadt des christlichen Spanien gemacht, der Cid hatte Valencia erobert. Im Oströmischen Reich hatten die Komnenen zuerst die Invasionen der Normannen und dann die der Kreuzfahrer über sich ergehen lassen müssen; das Schwergewicht der Macht verschob sich nach Westen. Mit Recht läßt sich sagen, daß im Abendland bis zum 12. Jahrhundert ein gewisses Maß an Stabilität erreicht worden war, bei der die Kräfte des Feudalismus, des Mönchtums, der scholastischen Philosophie und der aufblühenden Städte zusammenwirkten, um die Geschichte zu prägen.
Diese Geschichte des Mittelalters dem Durchschnittsleser möglichst lebendig vor Augen zu führen, ist das Ziel dieses Buches. Seine Autoren haben keine unbekannten Dokumente, keine unbekannten Denkmäler, keine unbekannten Kunstwerke veröffentlicht. Sie waren vielmehr bemüht, durch ihre Interpretation bereits bekannter Fakten der christlichen Kultur im mittelalterlichen Abendland größere Bedeutung zu verleihen und sie dem Leser von heute verständlicher zu machen. Das Schlüsselwort für unsere Geschichtsauffassung heißt >Kultur<.
Joan Evans
Blüte des Mittelalters. Zürich: Ex Libris, 1966. 360 Seiten mit 631 Abbildungen, davon 192 farbig, 439 Photos, Darstellungen, Karten und Zeittafeln. Leinen mit Schutzumschlag. 4to.
Bestell-Nr.157434
Evans | Mittelalter | Mediaevistik
Vorwort
Vor fünfzig Jahren war das Studium der Geschichte hauptsächlich auf Schulen und Universitäten beschränkt und demzufolge eine Angelegenheit der Gebildeten. Geschichte — das bedeutete soviel wie Kriege, politische Bündnisse und fortschrittlichere Verfassungen. Man stützte sich dabei in erster Linie auf schriftliche Dokumente, und auch Sozialgeschichte studierte man nur an Hand von Dokumenten. Acht Halbtonbilder erachtete man als genügend für jedes historische Werk, und die meisten waren überhaupt nicht illustriert.
Heute hat sich, zumindest für den Durchschnittsleser, dies alles geändert. Die Lehrer bemühen sich, ihren Geschichtsstunden einen bildhaften Hintergrund zu geben; gelegentlich führt sogar ein Geschichtsprofessor einige Diapositive vor. Fachhistoriker und Archivare untersuchen natürlich auch weiterhin mit Recht jeden Einzelaspekt ihres Forschungsgegenstandes an Hand von dokumentarisch belegbaren Details, doch für die meisten Leute ist >Geschichte< zu einer viel umfassenderen Angelegenheit geworden. Für sie zumindest müssen die Historiker die historischen Dokumente so interpretieren, daß sie ihnen das Leben der Vergangenheit in seiner Vielfalt und Dynamik und nicht etwa nur Schlachten und politische Intrigen enthüllen.
Dieser Wandel der Geschichtsliebhaberei und ihre Breitenwirkung ist nicht so sehr den Fachhistorikern zuzuschreiben als vielmehr einem Wandel in der Einstellung des Leserpublikums.
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als man begann, zahlreiche bedeutende Bauten durch Photographien festzuhalten, hat sich das Studium der Architektur und der bildenden Kunst revolutioniert; die großen archäologischen Entdeckungen jener Zeit brachten ein breites Publikum nun dazu, sich mit einem Gegenstand oder einem Bauwerk und zugleich mit der schriftlichen Überlieferung zu beschäftigen. In unseren Tagen sorgen Farbphotographien und Kunstdrucke dafür, daß diese Studien noch weit fruchtbarer werden. Außerdem haben unsere Freizeitbeschäftigungen unser Auge geschult, wenngleich sich Bildung noch immer in erstaunlicher Weise auf reines Buchwissen begründet. Ein erfahrener und tüchtiger Dozent sagte im Jahre 1900, ein Diapositiv müsse mindestens eine Minute lang auf der Leinwand gezeigt werden, damit das Publikum genügend Zeit habe, es aufzunehmen. Heute haben Filmleinwand und Fernsehapparat unsere Wahrnehmungsfähigkeit so geschult, daß wir weit schneller zu >sehen< vermögen.
Diese Entwicklungstendenzen in ihrer Gesamtheit machten es erforderlich, eine neue Art von Geschichtsbuch zu schreiben, das sich mehr mit dem sozialen Hintergrund als mit den politischen Ereignissen beschäftigt, und das durch zahlreiche Bilder diesen Hintergrund zum Leben erweckt. Der vorliegende Band erscheint in einer Reihe, die es sich zum Ziele gemacht hat, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Neun Autoren haben jeweils in einem Kapitel einen Aspekt des sozialen Lebens im Mittelalter abgehandelt. Neben der selbstverständlichen dokumentarischen Fundierung haben die Autoren jedoch versucht, hier ihre eigenen Interpretationen zu geben.
Parallel zum geschriebenen Text geht eine bildhafte Ausdeutung derselben Themen. Jedes Bildkapitel bildet eine in sich geschlossene Einheit, die in enger Beziehung zum Text steht, aber mehr sein will als lediglich dessen Illustration. Wir haben nicht nur Texte, sondern auch Ideen illustriert. Bisweilen ist ein Bildteil für ein anderes Kapitel von ebensolcher Bedeutung wie für jenes, mit dem es im Buch verbunden ist.
Um 1100 scheint es, als ob das Abendland zur Ruhe gekommen sei. In England hatte sich die normannische Dynastie im Heerwesen und in der Verwaltung eingerichtet. In Frankreich war durch Philipp I. August ein mit dem englischen rivalisierendes Königreich begründet worden. Die cluniazensische Reform hatte das religiöse Leben neu belebt, die Kreuzzüge begannen den Horizont auszuweiten. In Deutschland hatte der Investiturstreit unter Heinrich IV. das Staatsbewußtsein gestärkt. In Italien hatte Papst Gregor VII. seinen Kampf gegen den Kaiser zwar moralisch verloren, dafür aber Rom eine neue geistliche Universalmacht gewonnen. In Spanien hatte Alfonso VI. von Kastilien Toledo zur Hauptstadt des christlichen Spanien gemacht, der Cid hatte Valencia erobert. Im Oströmischen Reich hatten die Komnenen zuerst die Invasionen der Normannen und dann die der Kreuzfahrer über sich ergehen lassen müssen; das Schwergewicht der Macht verschob sich nach Westen. Mit Recht läßt sich sagen, daß im Abendland bis zum 12. Jahrhundert ein gewisses Maß an Stabilität erreicht worden war, bei der die Kräfte des Feudalismus, des Mönchtums, der scholastischen Philosophie und der aufblühenden Städte zusammenwirkten, um die Geschichte zu prägen.
Diese Geschichte des Mittelalters dem Durchschnittsleser möglichst lebendig vor Augen zu führen, ist das Ziel dieses Buches. Seine Autoren haben keine unbekannten Dokumente, keine unbekannten Denkmäler, keine unbekannten Kunstwerke veröffentlicht. Sie waren vielmehr bemüht, durch ihre Interpretation bereits bekannter Fakten der christlichen Kultur im mittelalterlichen Abendland größere Bedeutung zu verleihen und sie dem Leser von heute verständlicher zu machen. Das Schlüsselwort für unsere Geschichtsauffassung heißt >Kultur<.
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