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Schnyder .:. Welt und Wirken

156483
Schnyder, Otto, Welt und Wirken. Versuch einer Grundlegung der Philosophie. Zürich 1916.
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Nov 13-28, 2024

Description
Schnyder, Otto,
Welt und Wirken. Versuch einer Grundlegung der Philosophie. Zürich : Orell Füßli, 1916. 429 Seiten. Broschur. Grossoktav.
* Gebräunt, Umschlag lose, lichtrandig und mit Rissen.
Bestell-Nr.156483
Schnyder | Philosophie | Philosophy

Inhalt.
Seite
Vorrede 5
Einleitung 9

Erstes Buch:
Die Welt. Darstellung des Seienden 18

Zweites Buch:
Das Wirken. Darstellung des Seinsollenden 261

Drittes Buch :
Die Welt und das Wirken. Darstellung des Verhältnisses von Sein und Seinsollen 347

Schluss 425
Vorrede.
Als ich mich mit der Ausarbeitung meiner Gedanken über Recht, Moral, Kunst, Religion und andere Gegenstände beschäftigte, wurde mir klar, daß Einzelfragen nur im Rahmen der großen Zusammenhänge erschöpfend und befriedigend gelöst werden können.
Ich entschloß mich daher, meine Einzeluntersuchungen vorläufig auf sich beruhen zu lassen und eine Auffassung vom Ganzen der Dinge zu suchen, auszubauen und darzustellen.
Vorliegendes Buch ist das Ergebnis meines Strebens und meiner Bemühungen, eine Gesamtauffassung von Welt und Wirken zu gewinnen und auszugestalten.
Ich will nun kurz auseinandersetzen, wie dieses Buch gelesen werden muß, wenn es verstanden werden soll.
Mein Buch will Darstellung einer Philosophie sein. Philosophie aber ist meines Erachtens stofflich und formal totales Vorstellen in begrifflich-grundsätzlicher Form. Mein Buch will daher einmal Vorstellung mitteilen, Vorstellung aber, die sich von anderer Vorstellung durch ihre Ganzheit unterscheidet. Diese Ganzheit ist eine doppelte: Nicht ein einzelner Gegenstand, nicht mehrere Gegenstände, alle Gegenstände, die immer Inhalt von Vorstellung sein können, werden vorgestellt, betrachtet, angeschaut, begrifflich und grundsätzlich bearbeitet. Und nicht die Vorstellung schlechthin, nicht einzelne Beziehungen des Vorstellens sind hier am Werke, das Vorstellen tritt in allen seinen Beziehungen an die Gegenstände heran und unterwirft sie seiner feststellenden und ordnenden Tätigkeit. Zu diesen Merkmalen des philosophischen Vorstellens, die dem Blicke ein ungeheures Arbeitsgebiet eröffnen, kommen zwei weitere, die das Arbeitsgebiet einschränken. Die Philosophie betrachtet die Dinge nicht in der Form der Anschauung, des Bildes aus Fülle und Farbe, sie betrachtet sie vielmehr in Form des Begriffes, der, aus wenigen Merkmalen bestehend, einen Gegenstand nach Inhalt und Umfang abgrenzt. Allein es kann nicht Aufgabe der Philosophie sein, alle möglichen Begriffe von allen möglichen Gegenständen zu nennen, sie muß sich vielmehr damit begnügen, die obersten Begriffe klar zu machen und durch sie nicht nur die Einzelgebiete für sich zusammenfassen, sondern auch die Einzelgebiete zu einander in Beziehung zu setzen und zum Ganzen zu vereinigen.
Mein Buch will eine Grundlegung der Philosophie sein. Es will also nicht stofflich und formal totales Vorstellen in begrifflich grundsätzlicher Form schlechthin, sondern nur die Grundsätze dieses Vorstellens liefern; es wählt aus der Schicht der obersten, das Ganze umfassenden und ordnenden Begriffe, die höchsten aus und ordnet sie zu einem System. Die Folge davon ist, daß das Einzelne in seiner Bedeutung als Einzelnes zurücktritt, daß aber das aus dem Einzelnen aufgebaute Ganze deutlich und klar als Ganzes erscheint.
Die Darstellung philosophischen Vorstellens in grundlegender Form ist eine so gewaltige Aufgabe, daß mein Buch nicht mehr als Versuch einer Grundlegung der Philosophie sein kann.
In diesem Zusammenhang will ich noch bemerken, daß die Darstellung der Welt auf den anerkannten Ergebnissen der Einzel wissenschaften beruht. Die Ergebnisse der Einzelwissenschaften sind aber nicht ihrer selbst wegen da und ihre Darstellung hat nicht die Bedeutung einer Mitteilung von Tatsachen der Einzelwissenschaften, sie sind vielmehr Voraussetzung, Grundlage der philosophischen Betrachtung, sie gelten als Teile im Ganzen, als Bausteine im Bauwerk des philosophischen Systems.
Bei der Darstellung meiner Philosophie beschränke ich mich darauf, meine Gedanken in zusammenhängender Form vorzutragen. Ich unterlasse es mit Absicht, Werke der Einzelwissenschaften oder der Philosophie zu zitieren. Die Tatsachen der Einzelwissen schaften, auf die ich mich stütze, sind so sehr Gemeingut der Wissenschaft, daß sie in jedem Handbuch der Einzelwissenschaften zu finden sind; ich kann daher füglich darauf verzichten, meine Quellenwerke zu nennen. Die philosophische Literatur kann zur Stütze der eigenen Meinung oder zur Polemik herangezogen werden. Ich bemühe mich jedoch, meine Meinungen nicht durch fremde Ansichten, sondern durch Gründe zu stützen. Ich finde sodann, daß Polemik, abgesehen von ihrer allgemeinen Unfruchtbarkeit, meine Darstellung nur stören und unnötig erweitern müßte. Ich darf daher meines Erachtens mit Recht auch auf das Zitat philosophischer Schriften verzichten.
Es ist mein Bestreben, meine Gedanken so zu gestalten, daß sie die Grundlage einer gewissermaßen juristischen Interpretation bilden. Gerade deswegen kann ich vielfach darauf verzichten, die Gedankenfäden, die das Einzelne untereinander und zum Ganzen verbinden, nachzuweisen, und es dem Leser überlassen, die Zusammenhänge selbst herzustellen; ich kann auch darauf verzichten, die Anwendung der Grundsätze auf den einzelnen Gegenstand der Erfahrung zu vollziehen, und es ebenfalls dem Leser überlassen, auf dem Wege der Deduktion die Bedeutung des Einzelnen festzustellen.
Ich bemühe mich, meine Gedanken deutsch auszudrücken. Die Wörter und Wendungen, die durch den Druck hervorgehoben werden, haben terminologische Bedeutung. Sie sollen in gleichem Sinne in meinen folgenden Schriften verwendet werden. Die Darstellung eines ganzen Gedankensystems in einer Form, die allen Prüfungen strengster Interpretation standhält, ist eine so hohe Aufgabe, daß meine Arbeit auch in dieser Hinsicht Versuch bleiben muß.
In diesem Zusammenhang will ich noch darauf aufmerksam machen, daß ich die Gliederung des Stoffes nach Kapiteln, Abschnitten usw., wie auch durch ein Inhaltsverzeichnis mit Absicht unterlasse. Die Ordnung der Gedanken, die ich als nötig erachte, wird durch die Einteilung in drei Bücher, sowie durch Hervorhebung der Gedankenabschnitte im Druck, in Absätzen verschiedenen Grades, bewirkt. Die Bedeutung meines Buches liegt nicht so fast im Einzelnen als vielmehr im Ganzen. Es soll daher nicht Nachschlagewerk, sondern Gegenstand zusammenhängender Lektüre sein.
Die Lehren, die ich in diesem Buche vortrage, bedürfen sowohl der Stütze als des Ausbaus. Denn viele, ja die meisten Lehren sind, mit Absicht und im Interesse des Ganzen, so kurz behandelt, daß wohl ihr systematischer Ort gegeben, nicht aber ihr Wesen erklärt ist. In meinem Schreibtisch liegt eine große Anzahl von Abhandlungen, deren Einordnung in mein Werk mir des Zusammenhangs und der Ebenmäßigkeit wegen nicht tunlich erschien. Und in meinem Kopf ist Ueberfülle an Plänen, die ich in nächster Zeit verwirklichen will.
Das Ideal denkerischen Strebens, das mir vorschwebt, ist die Beleuchtung aller Gegenstände durch das Licht meiner Philosophie, die begriffliche Ausprägung des Einzelnen und dessen Zusammenfassung zum Ganzen, kurz der Aufbau eines lückenlosen Systems meiner Philosophie. In einem langen, dem Denken und Darstellen gewidmeten Leben hoffe ich diesem Ideale nahe zu kommen.
Luzern, den 1. Januar 1913.
Dr. OTTO SCHNYDER.
Im HBLS finde ich den Eintrag (Bd. VI, S.225) Schnyder Otto, Dr. jur., 24. I. 1884 - 20. XI. 1923, Anwalt in Luzern, Schriftsteller.
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