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Baumann .:. Dicke Haende.

158063
Baumann, Sabina, Dicke Hände. [Zürich] 1998.
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Beschreibung
Baumann, Sabina,
Dicke Hände.[Zürich] : Pro Helvetia, 1998. [48] Seiten mit Abbildungen. Klappenbroschur. Grossoktav. 240 x 166 mm. 182 g
* Cahiers d'artistes. - Ausstellung von Sabina Baumann im Aargauer Kunsthaus Aarau, 4. April bis 24. Mai 1998. Pro Helvetia, Fondation Suisse pour la Culture. Übersetzung von Catherine Schelbert
Bestell-Nr.158063
Baumann | Installationskunst | Installation Art | Malerei | Kunst Zeichnung

try to say it
Dreh- und Angelpunkt dieser Publikation ist eine spezifische Situation, die Sabina Baumann in einem Ausstellungsraum des Aargauer Kunsthauses Aarau geschaffen hat. Der Künstlerin stand dafür ein grosser, weitgehend neutraler Raum zur Verfügung: 43 Meter lang, 10 Meter breit, 3,5 Meter hoch, weisse Wände, ein dunkler, teerfarbener Boden, keine Fenster, kein Tageslicht. Immer wieder wird dieser Raum im Untergeschoss mit seinen Dimensionen - man ist versucht zu sagen: mit seiner Tiefe - verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern zur besonderen Herausforderung. Sabina Baumann hat diesen Raum verändert, sie hat ihm seine auratische Reinheit genommen und ihn zu einem fliessenden Kontinuum gemacht, in das man eintaucht wie in eine Landschaft. […]
Dominantes Element in diesem Raum sind acht teichähnliche Gebilde, die sich, regelmässig verteilt, über den ganzen Boden erstrecken. Sie wirken wie Krater einer leicht surrealen Mondlandschaft und entziehen sich all unseren Erfahrungen. Sie sind weit ausladend und in ihrer Grösse kaum richtig einzuschätzen, sie sind organisch gerundet und unbändig in der Form, sie sind sehr flach und haben eine glatte, weitgehend opake Oberfläche. Ihre Farbigkeit ist sehr zurückhaltend und lässt die Gebilde in einem Zwischenbereich zwischen Natur und Kunst orten. Insgesamt wecken sie wohl verschiedene Assoziationen, lassen sich aber mit nichts richtig identifizieren und finden in dieser Unbestimmtheit ihre Bestimmung - eine Mischung aus Hans Arp, Nierentisch und Bazooka. […]
Mit diesen Gebilden am Boden korrespondieren an der Wand grosse rosa Flecken, die dem Raum eine «zarte Verkommenheit» verleihen. Sie erwecken den Eindruck, als ob hier starke Feuchtigkeit ins Innere gedrungen wäre und sich unkontrollierbar breit machen würde, und sie sind doch von unverhohlener Künstlichkeit: Das Ungestalte wird hier zum gestalterischen Element, das wie ein Bildzeichen funktioniert und bewusst eingesetzt wird, um eine besondere, individuelle Raumatmosphäre zu vermitteln. Scheinbar schmudelig und verkommen sind dem Kunstraum die letzten Reste seiner hehren Reinheit genommen. Unwiederbringlich ist die Unschuld. - Was sich hier abspielt, hat mit Leben zu tun, mit Existenz an und für sich, aber auch mit den Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins.
Über diese grossen Flecken hinweg hängen rings um den Raum an allen Wänden kleine Zeichnungen. In scheinbar willkürlich wechselnden Abständen sind sie aufgereiht, mal etwas grösser, mal etwas kleiner im Format. Die Poesie der Flecken fliesst hier ins Anekdotisch-Narrative ein. Die Zeichnungen erzählen kleine alltägliche Geschichten. Sie sind voller Erinnerung, voller Sehnsucht, voller Träume. Sie zeigen individuelle Innenräume, einen Tisch, ein Bett und immer wieder Figuren, meist in zärtlich-liebevoller Berührung. Szenen der Emfpindsamkeit, anrührend wie Mädchenträume. Alles ist aufgeladen mit tiefen Gefühlen und steckt voller Erotik. Diese Vibration ist nicht nur im Zueinander und Miteinander der einzelnen Personen und ihrer individuellen Utensilien (ein Bett, ein Tisch, Schuhe, Besteck) spürbar, sondern findet in diesen Zeichnungen auch mannigfache formale Umsetzungen: in den überdeutlichen Maserierungen des Fussbodens, in den Falten des Vorhangs, in den Tapetenmustern oder in den ornamentalen Strukturen der Kleider, und sie erfasst jeden Gegenstand. Sabina Baumann zieht dabei alle Register und greift auch auf die bildhafte Erzählkunst der Cartoons zurück, um etwa das «Knistern», die emotionale Nähe zwischen zwei Personen wortlos als Schwingung im Raum darzustellen. Der Rückgriff auf diese Bildform dient ihr nicht nur dazu, den erzählerischen Gehalt in solchen Abbreviaturen zu verdichten, sondern lässt sie die so persönlichen und intimen Gefühle auch in tradierten Ausdrucksweisen formulieren - sei es, um sie zu schützen, sei es, um ihre Entäusserung an sich als eine von gesellschaftlichen Konventionen bestimmte zu kennzeichnen.
So gesehen spielen die Zeichnungen vielleicht nur den Gegenpart zu den Becken, indem sie die ursprüngliche, universelle Lebensenergie hier ganz und gar als eine auf den Menschen bezogene offenbaren. In den Zeichnungen wird die Lebensenergie in alltäglichen Situationen manifest, wird Lebensform. Das ursprüngliche Potential, die reine Energie bindet sich, das Unsagbare wird sagbar. Doch alle Versuche, es auszudrücken, bleiben unbeholfen, engen ein, sind durch gesellschaftliche Konventionen gebunden und verkommen zuweilen auch zum Klischee. Jede Kultur scheint dieser Energie bestimmte Vektoren zu geben. Sie zu polarisieren, ist vielleicht die Aufgabe dessen, was wir gemeinhin Kunst nennen.
Stephan Kunz
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