Nelson, Leonard,
Öffentliches Leben. Leipzig : Der Neue Geist, 1918. 35 Seiten. Broschiert mit Klammerheftung. Grossoktav. 244 x 165 mm. 78 g
* Öffentliches Leben; 1. - Gebräunt, Umschlag etwas lichtrandig und knitterig.
Bestell-Nr.159203
Nelson |
Soziologie |
Sociology |
Philosophie |
Philosophy
Nelson (1882-1927) Philosoph und Staatstheoretiker; begründete eine an J.F. Fries anknüpfende Philosophie (»Neufriesianismus«), die von Kant ausgehende Untersuchungen über das Erkenntnisvermögen zum Gegenstand hatte; Werke zur Ethik und Rechtswissenschaft.
Nichts liegt weniger offen vor Augen als das öffentliche Leben. Es könnte sogar fraglich erscheinen, ob es ein solches gibt oder j emals gegeben hat. Denn was ist öffentliches Leben ? Es ist nicht das Leben auf der Straße und auf dem Markte. Es ist nicht das Amtieren des Richters oder des Lehrers. Es besteht nicht in Wahlversammlungen und Parlamentsverhandlungen. Öffentliches Leben unterscheidet sich vom Privatleben nicht dadurch, daß sich das eine im Hause, das andere vor den Augen der Menge abspielt. Eine Sache wird zu einer öffentlichen Angelegenheit nicht durch die Zahl derer, die sie sich angelegen sein lassen, sondern allein durch die Art des Interesses, das ihr innewohnt. Freilich kann es nur ein allgemeines Interesse sein, was ihr den öffentlichen Charakter verleiht, aber das doch nicht in dem Sinne, als ob dies Interesse in jedem Mitglied der Gesellschaft wirklich lebendig wäre, sondern in dem Sinne, daß ein j eder es bei hinreichender Bildung als das seine erkennen würde. Das öffentliche Interesse wird nicht durch das subjektive Bedürfnis Einzelner bestimmt, und ein Privatinteresse kann auch durch die wachsende Zahl derer, die es teilen, nicht zum öffentlichen Interesse werden.
Ein öffentliches Leben ist daher ein solches, das nicht im Dienste von Privatinteressen steht, mögen dies die Interessen einiger oder vieler oder auch aller in der Gesellschaft sein. Die Öffentlichkeit des Lebens hängt nicht von der faktischen Übereinstimmung der Einzelnen in der Wahl ihrer Zwecke ab, sondern von der Eigenart der Zwecke selbst, die die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens bestimmen, nämlich davon, daß dies nicht beliebige Zwecke sind, sondern notwendige Zwecke von jedermann, d. h. solche, die sich jeder Mensch zu eigen machen muß, sofern er nur hinreichend gebildet ist. […]Nelson, Offentliehes Leben.