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Brachvogel .:. Ein neuer Falstaff

157179
Brachvogel, Albert Emil, Ein neuer Falstaff. Roman. Leipzig 1863.
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13.-28. November 2024

Beschreibung
Brachvogel, Albert Emil,
Ein neuer Falstaff. Roman. Leipzig: Costenoble, 1863. 3 Bände, [X], 292 + 259 + 231 Seiten. Fraktursatz. Halbleder der Zeit mit Goldprägung auf 4 Bünden, marmorierter Schnitt. Kleinoktav. 760 g
* Erste Ausgabe. WG2 11. - Leder berieben, Band 1 Rücken oben mit ca 2 cm Fehlstelle, einige schwache Stockflecken.
Bestell-Nr.157179
Brachvogel | Deutsche Literatur | 1850-1899 | Erstausgaben
https://comenius-antiquariat.ch/buch/157179.html

Vorwort
Diesem Buche und seinem Helden habe ich den sehr herausfordernden Titel: »Ein neuer Falstaff« gegeben. Herausfordernd und für mich gefährlich ist er in so fern gewiß, als man sich sofort der klassischen Figur des großen Shakespeare erinnern und meinen Helden mit derselben dergleichen wird. — Uebelwollenden dürfte es denn auch leicht gelingen, zu zeigen: ,,wie doch mein Held mit der bewußten Figur des großen Britten auch gar nicht übereinstimme, ihn weder an Jocosität, noch ...., man wird Das seiner Zeit wohl lesen! —
Ich muß von vorn herein gestehen, daß mein Held wirklich existirt. Er lebt, er ist unter uns, ich benutzte nur seine Person und seine Geschichte theilweise zu meinem Zweck. Da er nun leider auch dick, nicht mehr zu jung und sein Motto stets das nihil sine gaudio, der absolute Humor ist, in ihm der Egoismus als komische Idee zur Geltung kommt, so hat er mit Sir John Falstaff eine unwillkürliche Familienähnlichkeit. Dies bestimmte mich zu dem Titel. Ist derselbe für mich wirklich gewagt, so ist er doch offen. Hätte Kritik wie Publicum unter irgend einem schlichteren Titel die Aehnlichkeit meines Helden mit der Figur Shakespeare’s entdeckt, so hätte ich mich leicht dem Verdachte ausgesetzt, den größten Dichter aller Zeiten hinterlistig für meinen Zweck ausgenutzt zu haben. Dies wollte und konnte ich vermeiden, denn heutigen Tages sind die Falstaffs-Naturen gar nicht so selten unter uns. Wer also von meinen Lesern auf Dinge stößt, die ihm gar so bekannt vorkommen, welche er auch erlebte, beobachtet zu haben glaubt, der sei versichert, er ist irgend einmal meinem dicken, lieben Freunde, oder doch einem seiner Vettern, Cumpane, einem der zahlreichen Glieder seiner Clique begegnet, welche überall rings in der Gesellschaft sich breit machen, ihrem Vorbild und Meister als umbrae zu folgen pflegen und gleich den Affen seine Streiche copiren oder beklatschen. Wenn öfters cynische Stellen und höchst gewagte Situationen in diesem Romane enthalten sind, so trage nicht ich, der Charakter meines Helden trägt die Schuld, und das Motiv wahrhaft sittlicher Reinigung, welches sich durch meine Dichtung als Achse hinzieht, um welche sie sich in ihrem Verlaufe vorwärts bewegt, mag die Extravaganz meines Helden entschuldigen. ,,Schlimme Mittel zu gutem Zweck« wird man sagen und mich für eine Art Jesuiten halten. Gott verzeihe solchen Lesernl Wir Poeten haben einmal das Schicksal, nur vermittelst der Lüge die Wahrheit zu erweisen, und erst, nachdem wir alle Elemente der Seele in den Kampf geführt, zur ästhetischen Harmonie zu kommen.
Wie man auch schließlich über den Werth meiner Dichtung denke, welchen gewiß Niemand geringer anschlägt als ich, so wird dieselbe, hoffe ich, doch den sieghaften Beweis führen, daß ich gerade das heute so oft verlachte Ding: Gemüth, Herz, Idealitat— für das eigentlich Unsterblichste in uns erachte und nur in der rechten Verschmelzung von Idealem und Realem das Lebensglück des Einzelnen, wie Aller erkenne.
Ist mein dickes »Carlchen« auch ein gar ungezogener Schlingel, der eigentlich nicht werth ist, daß wir mit ihm umgehen, so entgeht er doch seinem Fatum nicht, — er wird wirklich besser, was man von seinen Genossen leider nicht immer sagen kann. Möge man ihn denn mit freundlicher Toleranz aufnehmen und, falls man über seine Streiche lacht, ihm um seiner Lustigkeit willen verzeihen, wenn er, zu seinem eigenen Schaden, so oft über die Stränge schlägt.
Berlin im Herbst 1862.
A. E. Brachvogei.
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Schriftsteller, * 29.4.1824 Breslau, † 27.11.1878 Berlin.
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