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Grochtmann .:. Geschichte aus der Naehe

158700
Grochtmann, Ulrich [Hrsg.], Geschichte aus der Nähe. Graphiken von Josef Čapek u.a. aus der Zeit von 1933 - 1938. Dortmund 1989.
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Beschreibung
Grochtmann, Ulrich [Hrsg.],
Geschichte aus der Nähe. Graphiken von Josef Čapek u.a. aus der Zeit von 1933 - 1938. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. Dortmund : Čapek-Verlag, 1989. 199 Seiten mit Abbildungen. Broschur. 4to. 297 x 210 mm. 526 g
* Herausgegeben: Čapek-Gesellschaft für Völkerverständigung und Humanismus e.V.. Mit einem Vorw. von Josef Reding. Gesamtkonzeption: Ulrich Grochtmann. Übersetzt aus dem Tschech. von: Jana Luggenhölscher ....
Bestell-Nr.158700 | ISBN: 3-925447-04-0 | 978-3-925447-04-4
Grochtmann | Antifaschismus | Graphik | Karikaturen | Drittes Reich | Josef Capek

Das überraschend große Interesse an unserer AUSSTELLUNG: Im Schatten des Faschismus — POLITISCHE KARIKATUREN VON JOSEF ČAPEK u.a. sowie an dem gleichnamigen Band mit Grafiken und Dokumenten haben das Erscheinen einer dritten Auflage nötig gemacht, die nun unter dem Titel GESCHICHTE AUS DER NÄHE erscheint und fast alle Karikaturen enthält, die Josef Čapek in den Jahren 1933-1938 in "Lidové Noviny" (Volkszeitung) veröffentlichte. Diese Karikaturen wurden Anfang 1949 in einem heute nicht mehr existierenden Prager Verlag herausgegeben und zwar unter dem Gesamttitel "Geschichte aus der Nähe", aufgeteilt in die Zyklen "Im Schatten des Faschismus", "Moderne Zeiten", "Die Diktatorenstiefel".
Das vorliegende Buch soll — ebenso wie die entsprechende Ausstellung — näher auf die Frage eingehen, wieso ein tschechischer Schriftsteller und Grafiker bereits im März 1933 und auch später schockierende Motive zu zeichnen vermochte, von denen der unbefangene Betrachter glauben muß, sie seien während des Krieges oder gar später entstanden. Diese Frage wirkt umso beklemmender, zieht man in Betracht, daß Josef Čapek sich politisch nie organisiert und sich bis 1933 in erster Linie als Verfasser und Illustrator von Feuilletons, Essays, Erzählungen und Kinderbüchern einen Namen gemacht hat. Selbst zur Zeit seiner Mitarbeit an der radikal sozialistisch eingestellten Berliner Zeitschrift "Die Aktion" während des Ersten Weltkrieges setzte er sich in erster Linie mit kunsttheoretischen Erörterungen auseinander. Doch hat es Josef Čapek nie vermocht, sich in den "Elfenbeinturm" der Kunst zurückzuziehen. Wie sein Bruder Karel blieb er zeitlebens dem humanistischen Gedankengut des tschechischen Philosophen und ersten Präsidenten der ČSR, T G. Masaryk und ebenso humanistischen Traditionen der tschechischen Arbeiterbewegung verpflichtet, die er gleichzeitig entscheidend beeinflußte:
Seine 1918/1919 verfaßten Abhandlungen über "Die bescheidenste Kunst", die aus dem Grauen des Krieges erwächst, die geprägt wird von der Ehrfurcht vor scheinbar alltäglichen, bedeutungslosen Dingen, die von der Phantasiewelt des Kindes entscheidende Anregungen erhält, die im Straßenmilieu weitere Themen findet oder aber im Milieu von Kramläden wurzelt, wurde in der tschechoslowakischen Arbeiterbewegung verschiedentlich als wegweisend für eine Kunst betrachtet, die als Maximalziel die Schärfung und Verfeinerung der menschlichen Sinne als Voraussetzung neuer zwischenmenschlicher Beziehungen erstrebt.
Josef Čapek zeichnete nach dem Ersten Weltkrieg Buchumschläge für Schriften des in der ČSR so sehr geschätzten russischen Anarchisten, des Fürsten Petr Kropotkin, und zwar für "Anarchistische Moral" und für den Aufruf "An die jungen Leute". In beiden Schriften betont der Autor, nicht der Mensch lebe intensiv und glücklich, der unbeirrbar seinen eigenen Vorteil sucht, sondern derjenige, der ein großes soziales Empfinden aufweist und dementsprechend handelt.
Der Grafiker J. Čapek propagierte 1918/1919 den "Červen" (Juni), das Organ der tschechischen Anarchisten, die damals — voller Begeisterung über die neugegründete Tschechoslowakei — sogar durch eine Mitarbeit in der Regierung ihr Maximalziel "Der freie Mensch in der freien Gesellschaft" stufenweise realisieren zu können glaubten. Josef Čapek bewunderte bereits als Kind "Die Kunst der Naturvölker", die er— bezeichnenderweise — nie "Primitive" genannt hat, und deren großen Respekt vor der Natur er noch 1938 in seiner letzten Schrift hervorhebt. Allein von hier kann es nicht überraschen, daß der Grafiker Josef Čapek seit 1933 — wie sein Bruder Karel —als leidenschaftlicher und unermüdlicher Warner agiert, der "im Schatten des Faschismus" die bisher kaum vorstellbaren Schrecken "moderner Zeiten" unmißverständlich und auf schockierende Art vor Augen führt.
Hatte es während des Ersten Weltkrieges und später den Anschein, daß der stets sozial engagierte Josef Čapek die Worte zu widerlegen suchte: "Im Krieg schweigen die Musen", so können für die nach 1933 entstandenen Karikaturen die Worte Bert Brechts als Leitmotiv gelten: "Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über die Schönheit der Bäume fast ein Verbrechen ist / weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt/ der dort über die Straße geht / ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde, die in Not sind".
Josef Čapek versuchte in den Jahren 1933-1938, die Außenwelt durch bittere und bissige Karikaturen auf Vorgänge und entscheidende Entwicklungsprozesse in Deutschland und anderwärtig — (Spanien — japanische, italienische Aggressionen!) — aufmerksam zu machen; ja seine Zeitgenossen im In- und Ausland auf schockierende Art wachzurütteln. So läßt manches dieser Motive die von erbittert-sarkastischem Geist geführte Feder deutlich erkennen, manches Motiv aber mutet wie ein verzweifelter Aufschrei an die Adresse eines viel zu gleichgültigen Publikums an.
Es gilt in dieser Ausstellung — wie auch in dem entsprechenden Band — mit der Legende von jenen "braunen Unmenschen" aufzuräumen, die "1933 von einem anderen Planeten auf den unseren kamen und 1945 endgültig wieder verschwanden" (wie es einst in einer Karikatur des ÖTV-Magazins hieß).
Als Material — für die Ausstellung wie für das Buch —dienen außer Čapeks Karikaturen in erster Linie zeitgenössische Berichte, Kommentare und Aufrufe; auf der Gegenseite wird an Erklärungen extrem rechtsgerichteter sudetendeutscher Organe erinnert, die — allem Informationsmaterial zum Trotz — offen ins faschistische Lager übergingen und einen erschreckend großen Einfluß auf die sudetendeutsche Bevölkerung gewannen. Berücksichtigt werden ebenso Auszüge aus reichsdeutschen Parteizeitungen (z. B. Abdrucke von Reden Hitlers, Göbbels, Fricks), Capeks Karikaturen spielen zum Teil offen hierauf an. Diese Reden geben außerdem manche - recht aufschlußreiche — Antwort auf die Fragen: Wie war das eigentlich? Was wußte man eigentlich? Josef Capeks oftmalige enge Zusammenarbeit mit anderen Grafikern und Schriftstellern läßt es wohl legitim erscheinen, auch Karikaturen anderer Grafiker zu berücksichtigen, zumal diese sich durchaus in die Gesamttendenz einfügen.
Außer Grafiken Josef Čapeks enthält der vorliegende Band z.B. Karikaturen von Francek Bidlo, der am 9. Mai 1945 — nach monatelanger Haft in Theresienstadt — verstarb. Bidlo war zeitweilig verantwortlicher Redakteur der satirischen Zeitschrift DER SIMPL, der 1934 in Prag erschien und der der Kommunistischen Partei der' Tschechoslowakei nahestand. Neben Karikaturen aus dem SIMPL erscheinen in diesem Buch — erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg — eine Reihe von Grafiken aus dem Prager SOZIALDEMOKRAT, dem "Zentralorgan der Sozialdemokratischen Deutschen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik".
Die Ausstellung — wie auch die Herausgabe des Buches — erscheinen uns um so dringlicher angesichts der besorgniserregenden Einflüsse und Auswirkungen nationalsozialistischen Gedankenguts wie auch des seit Jahren anhaltenden Hitler-Booms vom Bücher- bis zum Trödelmarkt.
Von schockierender Aktualität erscheinen uns — ebenso wie etlichen bisherigen Ausstellungsbesuchern und Lesern — die bitteren Karikaturen gegen Krieg, gegen "moderne Kriegsführungen" und deren Folgen; obgleich vor 1938 entstanden, erinnern diese Grafiken nicht nur an Coventry, Dresden, Hanoi, sondern nach wie vor auch an ehrgeizige Ziele zeitgenössischer Politiker und anderer einflußreicher Persönlichkeiten, die allem Anschein nach mehr die Abrüstung als weitere Aufrüstung fürchten. Insofern bleibt das Urteil etlicher Ausstellungsbesucher von trauriger Aktualität: Nicht nur Geschichte — aus der Nähe — Gegenwart wird hier vermittelt!
Noch ein Wort zum Inhalt und Aufbau des vorliegenden Buches: Es versteht sich, daß die einzelnen Themen: Terrorismus/Erziehung — Rassismus— "Friedensreden" —Spanischer Bürgerkrieg —"Münchener 'Abkommen— — Die Diktatorenstiefel — sich nicht immer streng von einander abgrenzen lassen, ja ein gegenseitiges Ineinandergreifen zuweilen nicht nur unumgänglich, sondern der Klarheit halber notwendig erscheint. Es versteht sich ebenso, daß die Einführungstexte zu den einzelnen Zyklen den Leser mit entsprechenden historischen Hintergründen vertraut machen sollen und nicht als Bildbeschreibungen aufzufassen sind.
Die Karikaturen aus dem "Simpl", dem "Sozialdemokrat" sowie die meisten Dokumente stammen aus dem Dortmunder Zeitungsinstitut. Wir danken allen dortigen Mitarbeitern für ihr — erneutes — freundliches und großzügiges Entgegenkommen.
Für technische Hilfeleistungen sind wir vor allem aber zu Dank verpflichtet: Karin Schleede (Fröndenberg), Ingeborg Brillowski (Dortmund), Heidrun Borkowski (Hagen), Elke Kuran und Bodo Woltiri (Dortmund), Iris Schulkowski (Hagen), Alexandra Zaade (Hagen), vor allem aber Frau Klara Funke (Hagen). Wir widmen dieses Buch meiner Mutter, Frau Annemarie Grochtmann, der großen Gönnerin unserer Gesellschaft und unseres Verlages.
Ulrich Grochtmann August 1988
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort 5
Josef Capek (von Josef Reding) 7
Terrorismus / Erziehung 13
Rassismus 45
Friedensreden 65
Spanien 87
— Kriegsahnungen
— Kriegsvorbereitungen
— Kriegstreiberei
»Münchner Abkommen« 1938 123
Die Diktatorenstiefel 169
Literaturhinweise 183
Anhang / Stellungnahmen 187
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