Nievo, Ippolito,
Pisana oder Die Bekenntnisse eines Achtzigjährigen. Roman. Berlin: Suhrkamp, 1956. 972 Seiten. Dünndruck. Leinen mit Lesebändchen und Schutzumschlag. Kleinoktav.
* Aus dem Italienischen und Nachwort von C. Birnbaum. - Geschrieben hat er es als 27jähriger, mit 30 starb er.
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Nievo |
Italienische Literatur
Nievos Roman ist ein bedeutsames Spätwerk der italienischen Romantik. Für den deutschen Sprachraum bedeutet so die erste vollständige deutsche Übersetzung dieses großen Nationalromans, den Kenner heute über Manzonis »Die Verlobten« stellen, Entdeckung und Bereicherung.
Nicht nur die Freude der Entdeckung und der weltliterarische Rang bestimmten diese Edition. Das Buch trägt das Siegel des Außergewöhnlichen. Ippolito Nievo (1831- 1861) schrieb als Siebenundzwanzigjähriger die Bekenntnisse eines Achtzigjährigen. Dieser geniale Jüngling hatte mit 30 Jahren, da andere zu leben und zu schreiben beginnen, Werk und Leben vollbracht und den ganzen Zyklus des Individuums durchschritten. Außergewöhnlich sind Fülle und Reichtum der Personen, Ereignisse und Episoden dieses Romans; er enthält das, was alle wahrhaft großen Romane kennzeichnet: Welt. In der Lebensgeschichte des Carlo Altoviti, die beginnt auf der Burg Fratta im Venezianischen, die die Halbinsel der Länge und Breite durchstreift und nach Padua, Mailand, Florenz, Rom und Neapel führt, die ihre Fäden nach London und Amerika spinnt, in die Türkei und nach Griechenland, wohin ein Sohn Altovitis mit Lord Byron aufbricht - in dieser Lebensgeschichte spiegelt sich ein ganzes Zeitalter. Köstliche Episoden: der erste Anblick des Meeres, eine Unterredung mit Napoleon, eine wunderschöne Beschreibung von Bologna, die Belagerung der Burg Fratta, Waffentaten, Duelle, Intrigen, Idyllen, Feldlager, Kerker, Befreiung, Freundschaft und Liebe - dies alles erfüllt den Roman und macht seine Lektüre zum Abenteuer.
Ungewöhnlich ist dieses Buch in seiner Neuheit. Der 1867 erschienene Roman ist heute modern und aktuell, ja es scheint, er hat seine höchste Aktualität erst heute erreicht.
Wir erfahren wiederum, was Erzählen heißt: am kleinen Ort das große Schicksal zu zeigen, in der Einzelheit das Gesamtbild, im Leben des Carlo Altoviti den Drang einer ganzen Nation zu Freiheit und Einheit, in der Figur der Pisana, deren Vielschichtigkeit proustisch und heutig anmutet, eine neue bewegende und beglückende Verkörperung des ewig Weiblichen.
»Vieles Köstliche, Dutzende von Personen gestaltete die unerschöpfliche, glückliche Erzählbegabung Nievos. Nicht umsonst hatte er in seinem kurzen Leben zusammen mit Garibaldi gekämpft; und es ist eben jenes unsagbare leise Zittern, jene dunkelgeheime Gärung, jenes Gefühl von Begeisterung, die aus den >Bekenntnissen< das unvergleichlich schönste Jugend-Dichterwerk der italienischen Literatur macht.
Man vermindert jedoch den Wert der >Bekenntnisse< nicht, wenn man den Geist, der am klarsten und kraftvollsten in Erscheinung tritt, in jener an Liebe reichsten, fast unglaublichen Figur der Pisana erkennt. Wunder und Geheimnis beginnen, sobald Pisana auftritt. Anderswo drückt er sich in Prosa, hier aber in Poesie aus. Anderswo kann man von Geist sprechen, von Talent und Geschmack. Aber hier - und das Wort möge nicht übertrieben scheinen - hier aber ist Genie am Werk. Daß Pisana mit ihren Launen, ihren Listen, ihrer Amoralität, außer erschreckend lebendig und wahr, auch eine so anbetungswürdige Gestalt ist und einlädt zu einem ernsten, keuschen, tief menschlichen Vertrauen - das gehört zu den feinsten, geheimnisvollsten Triumphen der Poesie aller Zeiten. - Daß es vor neunzig Jahren einem jungen Menschen möglich gewesen ist, dieser Frauengestalt soviel Leben einzuhauchen, wird immer eine der außerordentlichsten und unergründlichsten Tatsachen unserer ganzen Literaturgeschichte bleiben.«
Emilio Cecchi im Vorwort zur italienischen Neuausgebe.