Schleich, Carl Ludwig,
Vom Schaltwerk der Gedanken. Neue Einsichten und Betrachtungen über die Seele. 15.-17. Tausend. Berlin: S.Fischer, 1918. 287 Seiten. Pappband (gebunden). 192 x 127 mm. 372 g
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Schleich |
Philosophie |
Psychologie
VORWORT
Was ich mit der Wünschelrute der Gedanken hier aus dürrem Boden ungelöster Fragen zutage gefördert habe — ich kann es nicht wissen, ob es reiner, erfrischender Quell ist oder noch unklarer Strom. Ich glaube es hell und einfach genug, um manchen Wissensdurstigen zu erquicken. Die Zeit muß lehren, wie es darum steht.
Als ich die ersten leitenden Ideen zu dieser Arbeit voll erfaßte, war mir zumute, als schaute ich von einem Hochplateau ins Tal, das von Nebeln und Dünsten tief verhüllt lag. Neue Gedanken, dünkten mich, sind wie die Morgensonne, sie hellen langsam Kuppel um Kuppel, die Matten, die Täler auf, und alsbald liegt das ganze Panorama in hellem Sonnenglanz. Das sind frohe Stunden eines werdenden Tagewerkes. Aber ein anderes ist es, nun auch den Genossen im Tal das Geschaute recht zu schildern. Wie sehr fühlt man dann die Mängel und die Grenzen seiner eigenen Darstellungskraft. Trotz der ungeheuren Spannung dieses seelischen Erdbebens, das der blutigste Krieg in unseren Seelen erzittern läßt, habe ich eine kurze Ruhezeit, die mir als Pause chirurgischer Arbeit im Dienst des Vaterlandes gewährt würde, benutzt, um die Resultate meiner Ausblicke festzulegen. Ich habe des öfteren in Gesprächen und in Vorträgen erfahren, daß diese Art, die seelischen Dinge zu schauen, lebhaftes Interesse erregte, und
gefunden, daß hochgebildete Laien und selbst Mediziner keine rechte Vorstellung vom Mechanismus unseres geistigen Innenlebens besitzen und hoffe daher, manchem an der Hand einer wenigstens geschlossenen Anschauung Hilfen zu besserem Verstehen zu bieten.
Daß ein Mediziner einen idealistischen Mechanismus vertritt, mag als eine kleine Sühne gelten dafür, daß gerade wir Ärzte früher soviel dazu beigetragen haben, dem abgetretenen, krassen Materialismus die Sohlen zu beflicken.
Wenn ich in diesem Buche manches wiederholen mußte, was schon in meinem Buche „Von der Seele", wenn auch anders gefaßt, enthalten war, so bitte ich zu bedenken, daß ich auch dieser Arbeit eine gewisse, geschlossene Selbständigkeit zu geben bestrebt war, wobei natürlich Wiederholungen nötig wurden. Ich habe mir alle Mühe gegeben, sie wenigstens in ein völlig neues Licht zu setzen.
Möge dies Werk dazu beitragen, neben der Bereicherung des Wissens jene Ehrfurcht zu schüren, ohne welche man gerade an den herrlichsten Wundern der Natur vorbeigeht, genau so wie der nur auf den Weg achtende Wanderer die schönsten Ausblicke rechts und links von der Heerstraße des Lebens versäumt.
Berlin, im August 1915
Carl Ludwig Schleich
INHALT
Vorwort 11
Das Gehirn und seine Apparate 13
Die drei Orgelregister des Gehirns
Gedächtnis und Erinnerung 70
Wie Träume entstehen 94
Seelisches Leid 101
Freude verlängert das Leben 110
Der Wille und der freie Wille 122
Ignatius von Loyola und der preußische Drill 142
Kriegsstimmung 163
Der Krieg/und die Nachgeborenen 170
Der Sinn der Kunst 178
Genie und Talent 200
Die Sonne als Arzt 218
Die Macht der Dunkelheit 222
Das Geheimnis der Muttermilch 228
Der Mythos vom Stoffwechsel im Gehirn 238
Die Hysterie — ein metaphysisches Problem 249
Der Kreislauf des Lebendigen und die
Unsterblichkeit 269